Das Flämmchen von Holtey


Aus dem Raum Essen stammt folgende Geschichte:


Einst kehrte ein Schäfer spätabends von einer Festlichkeit zu seiner Herde zurück, die im Holteyer Grund weidete und von seinem treuen Hund bewacht worden war. Als er noch die duftenden Wiesen durchschritt, hüpfte plötzlich ein rot glühendes Flämmchen bald vor, bald hinter ihm her. Der Schäfer dachte sich zunächst nichts dabei, hielt er die Erscheinung doch für ein besonderes Tier, ähnlich den Glühwürmchen. Als er aber an einem Bach ankam und gerade den Steg überschreiten wollte, verstellte ihm das Flämmchen den Weg. Nun merkte der Schäfer, daß er es mit einer Spukgestalt zu tun hatte. Mutig gebot er der Erscheinung, den Weg freizugeben und machte gleichzeitig das Zeichen des Kreuzes. Da hörte er ein feines Stimmchen, das ihm flehentlich zurief:

„Oh, taufe mich! Ich bin ein Kind, das sterben mußte, bevor man mir das Sakrament spendete!" Da griff der Schäfer voller Mitleid in den Bach, mit dessen klarem Wasser er die Taufe vollzog. Sofort schwebte das Flämmchen zum Himmel empor, wo es zu einem Stern wurde. Als der Schäfer noch staunend auf der Brücke stand und in die Höhe blickte, flogen immer mehr solcher Flämmchen herbei und baten, von ihm getauft zu werden. Allen Wünschen kam der Schäfer willig nach. Bis zum frühen Morgen verrichtete er sein mildtätiges Werk, und nach jeder Taufe erschien ein neuer, hell leuchtender Stern am Himmel.

Wolfgang Schulze: "Die schönsten Sagen aus Essen" Bd. 2

Vielen Dank an Familie Schulte-Holtey!