Karl Eduard von Holtei

* 24.01.1798 in Breslau, + 12.02.1880 ebenda
Vater: Karl Sigismund Julius von Holtey
Mutter: Wilhelmine Gottliebe von Holtey, geb. von Kessel
und Zeuth, + 1798



Karl von Holtei ist ein entfernter Nachfahre der westfälischen Holteys. Wann er seinen Familiennamen von "Holtey" zu "Holtei" änderte, ist unbekannt. Es finden sich - vor allem in zeitgenössischen Quellen - auch die Schreibweisen "Karl von Holtey" sowie "Carl von Holtey". Sein Vater war Rittmeister der preußischen Husaren, sein Großvater (Herbert Ernst von Holtey, 1724-1795, verh. mit Juliana Elisabeth Eleonore Freiherrin von Seidlitz und Gohlau, + 1806) als königlich preußischer Oberst Kommandeur eines Husarenregimentes.

Eine sehr anschauliche Darstellung des Lebens und des Werkes Karl von Holteis liefert Walter Ditmer auf der Internetseite www.ostdeutsche-biographie.de (Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen):

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Karl von Holtei zählt zu den umtriebigsten Autoren der deutschen Literatur- und Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts. Der Aktionsradius seiner vielfältigen Unternehmungen umspannt Europa nach allen Himmelsrichtungen hin: von Breslau über Berlin, Leipzig und Hamburg bis nach Paris, Wien, Riga und Graz. Von gigantischem Ausmaß ist auch sein schriftstellerisches Werk. Allein 37 Bände Erzählende Schriften erschienen schon zu seinen Lebzeiten (1861-1866). Mit leichter Hand verfaßte er darüber hinaus zahlreiche Bühnenstücke, Lieder und Gedichte sowie Abhandlungen zu Literatur und Theater. Hinzu kommt eine rege Herausgebertätigkeit von Blättern wie dem Obernigker Boten über das Jahrbuch deutscher Bühnenspiele bis zur Bearbeitung von Shakespearestücken und der Edition der Briefe an Ludwig Tieck.

Berührungsängste mit welchem literarischen Genre oder welchem Stoff auch immer schien Holtei nicht zu kennen. Neben einem Breslauer Commersbuch (1819) finden sich Festspiele, Prologe und Theaterreden (1823) oder das «Liederspiel in einem Akt» Die Wiener in Berlin, das am 24. Juni 1824 im Königlichen Hoftheater zu Berlin uraufgeführt wurde. Der dramatische Bogen spannt sich weiters von Lenore. Vaterländisches Schauspiel mit Gesang in drei Abtheilungen (1829) über Don Juan. Dramatische Phantasie in sieben Akten (1834) bis zum Schauspiel Shakespeare in der Heimath (1840) oder «dem Mährchen in drei Akten» Die beschuhte Katze (1843). Mit diesen Hinweisen sind jedoch längst nicht alle von Holtei praktizierten dramatischen Gattungen benannt. Allein diese Bandbreite im Bühnenbereich legt jedem halbwegs mit der überaus vielgestaltigen Situation des literarischen 19. Jahrhunderts Vertrauten Zurückhaltung auf hinsichtlich der gängigen Etikettierung Holteis als eines Trivialautors. Eine objektive Würdigung seiner Aktivitäten- und Schriftenfülle ist nur unter Berücksichtigung der Zeitverhältnisse möglich.

Literarisch hat Karl Immermann in seinem zeitsymptomatischen Roman Die Epigonen (1836) das Grundgefühl der Autoren nach dem Ausklang der «Kunstperiode» mit ihren klassisch-romantischen Gipfelleistungen prägnant zum Ausdruck gebracht. Karl von Holtei ist diesbezüglich – paradox gesprochen – ein klassischer Epigone. Und dem Nachgeborenen der Kunsttitanen eröffnet sich im spielerischen Umgang mit den zu höchster Vollendung geführten Dichtungsgattungen eine bescheidene Möglichkeit eigenständiger Artikulation. Holtei hat sie weidlich genutzt. Sein umfangreiches Werk bietet (so gesehen) die Gelegenheit, sich ein detailliertes Bild von den außergewöhnlichen Umständen nach der Klassik von Weimar und der Romantik von Jena zu machen. Im Falle Holteis erklären sich auffällige Verhaltensweisen aber auch aus der Biographie.

In seinem aus heutiger Sicht wohl wichtigsten Werk, den Lebenserinnerungen Vierzig Jahre (1843-1850), berichtet er über seine Kindheit in Schlesien: «Meine Mutter starb, nachdem sie mich geboren; mein Vater, Husaren-Offizier, wußte nicht, was er mit einem schreienden Kinde beginnen sollte? So kam ich in das Haus des alten Freiherrn von Arnold, dem nur aus erster Ehe noch eine Tochter lebte und dessen zweite Gattin die Schwester meiner Großmutter von väterlicher Seite, folglich meine Großtante war. Ich wurde als Pflegesohn auf- und angenommen, ohne förmlich gerichtlich adoptiert zu sein.»



Nie und nirgends «förmlich» fest verankert, wurde auch Holteis Erziehung, wie es in Vierzig Jahren weiter heißt, «bei der besten Meinung und liebevollsten Gesinnung, doch aus Mangel an Einsicht so konfuse geleitet, daß man es nicht künstlicher hätte anlegen können, wäre der Wunsch vorhanden gewesen, mich aus dem Grunde und in den Grund zu verderben.» Vorprogrammiert sind hier nicht nur die Schulprobleme auf dem Breslauer Magdalenäum, sondern vor allem sein lebenslanger Hang zum ungebundenen Künstler- und Abenteurerdasein.

Die Welt des Theaters erwies sich (auch diesbezüglich) als adäquate Auffangstätte. Eröffnet wurde sie ihm schon im Alter von sechs Jahren durch einen Besuch des Stadttheaters. Endgültig sprang der Funke über, als er mit 13 Jahren Ludwig Devrient auf der Breslauer Bühne als Karl Moor und König Lear erlebte. Holtei blieb dem Theater rundum verbunden: als Schauspieler am Schloßtheater Grafenort (bei Habelschwerdt), als Theaterdirektor in Riga (1837-1839), als Richard Wagner ebendort Kapellmeister war, und nicht zuletzt als Stückeschreiber. Mit Wagners musikdramatischen Vorstellungen konnte der dem Singspiel verbundene Holtei allerdings nichts anfangen, und er blieb bis zum Ende seines Lebens ein Antiwagnerianer. Weber dagegen lag ihm sehr. In seiner Schrift Karl Maria von Weber (1854) zeigt er sich bestens informiert über die musikalische Großwetterlage im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts und urteilt kompetent über heute erst allmählich wieder in unser Bewußtsein tretende Weber-Opern wie Euryanthe oder Oberon. Nebenbei kommt hier auch ein seltener erwähnter Wesenszug Holteis zur Wirkung, den Gustav Freytag bemerkte, wenn er von Holtei als dem «feinfühlenden Mann» von großer Zurückhaltung sprach. Als es um eine direkte Begegnung mit Weber geht, wird dieser Wunsch «zurückgedrängt durch ein Gefühl ehrerbietiger Schüchternheit, welches mich mein Lebenlang abhielt, berühmten, von mir verehrten Leuten ohne Weiteres entgegen zu treten.»

Dies gilt natürlich auch für die wichtigste Begegnung: die mit Goethe. Deren Schilderung in Vierzig Jahre gehört zu den Höhepunkten von Holteis Autobiographie. Wegen ihrer Authentizität zählt sie überdies zu den bedeutendsten Berichten über den alten Goethe und das Weimar dieser Zeit. Zu einem wirklichen Gespräch kam Holtei nur mühsam. Das Zusammentreffen ereignete sich im Rahmen der vorgesehenen Empfangszeit (11 Uhr): «Verbindliche und möglichst schön gestellte Redensarten von meiner Seite schienen keinen Eindruck zu machen; wenigstens lockten sie keine Erwiderung hervor. (...) Ein guter Geist gab mir die Erinnerung ein, daß ich in Paris den Duval’schen ‹Tasso› spielen sehen, den machte ich zu meinem Zauberstabe, – und siehe da, der Fels gab Wasser.»

Die Audienz, die Holtei sich höchstens für «zehn Minuten» erhofft hatte, erweiterte sich auf «eine rasch genug durchplauderte Stunde». Und es folgte eine Einladung zu «Goethes’s Mittagstisch, wo acht bis zehn Personen versammelt wurden. (...) Zum Trinken nötigte der hohe Greis selten mit Worten, – wohl aber durch die That und Beispiel, denn er trank wie ein Alter, und mich hat es immer in meinem Herzen mit gelabt, wenn ich ihn seinen Würzburger voll Andacht schlürfen sah. (...) Dagegen redete sich’s nicht besonders, denn was man sagte, schien wenig Eindruck zu machen, schien vielmehr an der Glätte seines Stahlpanzers abzugleiten.» Wir besitzen wenige Schilderungen ähnlicher Detailgenauigkeit aus Goethes spätem Weimarer Alltag.


Unschätzbar ist nicht zuletzt das Porträt des einzigen, von den zeitgenössischen Größen wenig beachteten Goethe-Sohnes August, mit dem Holtei nach anfänglicher Abneigung eine enge Freundschaft schloß. Im allgemeinen Bild der Goethe-Verehrung stellte August von Goethe einen nicht unerheblichen Störfaktor dar. Auch Holtei war von der ersten Begegnung alles andere denn angetan. Doch schon beim zweiten Mal änderte er seine Ansicht, und nach Augusts Tod sah er es als seine Pflicht an, «ihm vor den Augen der Welt die Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, die ihm, – freilich zum Teil durch seine eigene Schuld, nicht werden sollte, als er lebte. Gewiß hat er selbst das meiste dazu beigetragen, daß alle Leute mit ihm zerfielen; er forderte in krankhaftem Trotze die üble Meinung heraus. Das erfuhr ich ja an mir selbst, denn durch seine erste Begegnung ward mir mein erster Tag in Weimar total verdorben.» In der Folgezeit bekam Holtei jedoch einen Blick für die Vorzüge Augusts: «Er hielt sich, ging, stand, saß, gebärdete sich wie ein feiner Hofmann; seine graziöse Haltung blieb stets unverändert, und auch wenn er berauscht war, wenn er tobte, fiel er nie aus dem Maße äußerer Schicklichkeit. Er wußte viel und mancherlei (...), und hielt namentlich die vom Vater angelegten Sammlungen jeder Gattung in bester scientivischer Ordnung.»

Populär wurde Holtei weit über Schlesien hinaus als Rezitator großer Dichtung. Zur Vortragskunst scheint er ausgesprochen begabt gewesen zu sein. Jedenfalls blieben seine Deklamationen Goethes, Schillers und vor allem Shakespeares noch lange im Gedächtnis der zeitgenössischen Zuhörer haften. Den Schlüssel zum Verständnis Shakespeares vermeinte er in seiner großen Abhandlung Shakespeare als Vorbild für moderne Theaterdichtung (1866) in folgender Beobachtung gefunden zu haben: «Er bleibt, indem er der objectivste, lebenstreueste aller Poeten ist, wundersamer Weise zugleich der subjectivste, eigenthümlichste, unvergleichbarste.»

Sein unstetes Wanderleben beschloß Holtei im Hospiz der Barmherzigen Brüder in Breslau, in dem er 1876 für die letzten vier Jahre seines Lebens untergekommen war. Sein 80. Geburtstag wurde in Breslau noch festlich begangen, unter anderem mit einer Ansprache des Germanisten Karl Weinhold.

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Einige Werke Karl von Holteis im Volltext:

Schwarzwaldau (PDF)

Ein Mord in Riga

Gedichte

Ein Trauerspiel in Berlin

Die Kalkbrenner

Lesetipp:

Karl von Holtei: "Jugend in Breslau", Nicolaische Verlagsbuchhandlung (Berlin)                  ISBN 3-87584-227-8